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Medizinisch-psychologisches Gutachten auch ohne vorherige Ahndung einer Ordnungswidrigkeit möglich

Die Fahrerlaubnisbehörde durfte den behaupteten Nachtrunk als Schutzbehauptung einstufen und ein Gutachten anfordern. Foto: Syda Productions - stock.adobe.com

Eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Zuwiderhandlung im Straßenverkehr muss nicht unbedingt auch geahndet werden, um ein medizinisch-psychologisches Gutachten auslösen zu können. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) einem Mann bestätigt, bei dem bei einem nicht selbst verschuldeten Unfall eine Blutalkoholkonzentration von 1,04 Promille festgestellt worden war. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren war eingestellt und die Sache an die Bußgeldstelle abgegeben worden. Ob es ein Bußgeldverfahren gab und wie dieses endete, konnte allerdings nicht mehr festgestellt werden. Gleichwohl hatte der zuständige Landkreis die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangt und dem Kläger dann wegen Nichtvorlage die Fahrerlaubnis entzogen (BVerwG, Urteil vom 07.04.2022, Az.: 3 C 9.21).

Aufgrund des Gesamtbildes zum Gutachten aufgefordert

Der Unfall hatte sich im September 2017 ereignet. Der Kläger hatte behauptet, sein Promillewert beruhe auf einem Nachtrunk. Wie das daraus resultierende Verfahren ausging, konnte nicht mehr nachvollzogen werden, da die Bußgeldstelle den Vorgang aus datenschutzrechtlichen Gründen gelöscht hatte. Allerdings war der Kläger bereits früher schon einmal einschlägig in Erscheinung getreten. Ihm war 2008 und 2009 von Strafgerichten wegen Trunkenheitsfahrten die Fahrerlaubnis entzogen worden. Damals ging es um Blutalkoholkonzentrationen von 1,4 und 1,48 Promille. Aufgrund dieses Gesamtbildes hat ihn dann der beklagte Landkreis im Mai 2019 zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert.

Betroffener reklamiert fehlende bußgeldrechtliche Ahndung

Im Laufe des Verfahrens hatte der Kläger geltend gemacht, die Vorschrift der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), auf die sich die Beklagte gestützt hatte, könne nur angewandt werden, wenn er auch straf- oder bußgeldrechtlich geahndet worden sei. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hatte ihm hingegen bescheinigt, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten auch angefordert werden könne, wenn sonstige Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Solche Tatsachen hatte das Gericht dann aus der Trunkenheitsfahrt aus dem Jahr 2009 mit 1,48 Promille, dem Verkehrsunfall 2017 mit 1,04 Promille und der Einschätzung, dass es sich beim behaupteten Nachtrunk um eine unglaubhafte Schutzbehauptung handelte, hergeleitet.

Bewertung des Nachtrunks als Schutzbehauptung nicht zu beanstanden

Dies wurde vom BVerwG bestätigt. Das Gericht stellte klar, dass eine Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Sinne der einschlägigen Reglung der FeV auch dann gegeben ist, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Trunkenheitsfahrt ordnungswidrigkeitsrechtlich nicht geahndet worden ist, aber mit hinreichender Gewissheit feststeht, dass der Betroffene die Zuwiderhandlung begangen hat und sie in zeitlicher Hinsicht noch zu verwerten ist. Diese Voraussetzungen sah das BVerwG in diesem Fall als erfüllt an. Aus seiner Sicht war die Bewertung des angeblichen Nachtrunks als nicht glaubhafte Schutzbehauptung nicht zu beanstanden. Und damit hatte die Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten anfordern und dem Kläger, weil er es nicht beigebracht hatte, die Fahrerlaubnis entziehen können.

Christian Demuth, Düsseldorf
Rechtsanwalt l Fachanwalt für Strafrecht
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