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Autobahnauffahrt: Auch bei Stop-and-Go-Verkehr hat die durchgehende Fahrbahn Vorfahrt

Regeltechnisch ein kompliziertes Unterfangen: das Einfädeln von einer Autobahnauffahrt in den Verkehr. Foto: normankrauss - stock.adobe.com

Wer bei einer Autobahnauffahrt die Vorfahrt hat, darüber gehen die Meinungen auseinander. Richtig ist allerdings, dass diese der durchgehenden Fahrbahn zusteht und nicht den Fahrzeugen auf der Beschleunigungsspur. Und das gilt, wie das Oberlandesgericht (OLG) Hamm klargestellt hat, auch beim sogenannten „Stop-and-Go-Verkehr“. Die Vorfahrtsberechtigung der durchgehenden Fahrbahn endet erst, wenn der Verkehr auf ihr so sehr zum Stehen kommt, dass mit einer erneuten Fahrbewegung in kürzerer Frist nicht zu rechnen ist (OLG Hamm, Beschluss vom 03.05.2018, Az.: 4 RBs 117/18).

Einfädeln vom Beschleunigungsstreifen aus

Das OLG hob eine Entscheidung des Amtsgerichts Siegen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an dieses zurück. Das Bußgeldverfahren richtete sich gegen einen 45 Jahre alten Fahrer, der versucht hatte vom Beschleunigungsstreifen auf die durchgehende Fahrbahn zu gelangen. Dem Fahrzeug vor ihm war dieses zwischen zwei Lkw gelungen, es musste jedoch sofort wegen eines vor ihm stehenden Sattelzuges anhalten. Dadurch blieb der 45-jährige, der dem anderen Pkw gefolgt war, unglücklich mit seinem Pkw stehen. Der vordere Teil stand auf der durchgehenden Fahrbahn, der hintere ragte noch in die Beschleunigungsspur hinein. Diese schräge Position war so ungünstig, dass ihn der nachfolgende Sattelzug-Fahrer übersah und es beim Anfahren zu einem Zusammenstoß beider Fahrzeuge kam.

Der Betroffene war vom Amtsgericht wegen fahrlässiger Nichtbeachtung der Vorfahrt auf der durchgehenden Fahrbahn zu einer Geldbuße von 110 € verurteilt worden. Ihm wurde zur Last gelegt, den Überholvorgang auf der rechten Seite des Lkw, also von der Beschleunigungsspur aus, so begonnen zu haben, dass er nicht mit Sicherheit habe sagen können, ihn auch mit einem vollständigen Erreichen der durchgehenden Fahrbahn abschließen zu können. Da eine Verständigung mit dem Fahrer des Sattelzuges nicht stattgefunden hatte, ging das Amtsgericht davon aus, dass der 45-jährige Fahrer das Überholen des eigentlich vorfahrtsberechtigten Sattelzuges hatte erzwingen wollen.

Vorrrecht nur bei Bewegung auf durchgehender Fahrbahn

Wie das Amtsgericht auch, wies das OLG darauf hin, dass die Vorfahrtsregelung für die durchgehende Fahrspur auf Autobahnen auch bei zähfließendem Verkehr ober bei „Stop-and-Go-Verkehr“ gilt. Abweichend vom Amtsgericht betonte das OLG allerdings, dass für diese Bevorrechtigung immer ein Mindestmaß an Bewegung im Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn gegeben sein muss. Dies ergebe sich schon, so das Gericht, aus der Formulierung „Vorfahrt“. Aus Sicht des OLGs kann also nicht mehr von Vorfahrt gesprochen werden, wenn es keine Fahrt mehr gibt und der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn steht. Die Folge: Es gibt in einer solchen Situation keine gültige Vorfahrtsregelung mehr und die Verkehrsteilnehmer müssen sich unter Beachtung des Rücksichtsnahmegebotes der Straßenverkehrsordnung arrangieren.

Es gilt aber auch das Rücksichtnahmegebot

Im Verfahren des 45-jährigen gab es insoweit offene Fragen. Denn das Amtsgericht hatte keine Feststellungen dazu getroffen, wie lange der Sattelzug gestanden hatte. Aus den Schilderungen des Fahrers des Sattelzuges ergab sich allerdings, dass er möglicherweise rund drei bis vier Minuten an der einen Stelle gestanden hatte. Sollte dieses zutreffen, kann es nach Auffassung des OLG keinen Vorfahrtverstoß des 45-jährigen gegeben haben, sodass die Verurteilung zu Unrecht erfolgt wäre. Allerdings kann der Fahrer gegen das Rücksichtsnahmegebot verstoßen haben, indem er so dicht vor dem stehenden Sattelzug auf den rechten Fahrstreifen der durchgehenden Fahrbahn aufgefahren ist, dass der Sattelzug-Fahrer ihn wegen des sogenannten toten Winkels nicht unmittelbar hatte wahrnehmen können.

Christian Demuth, Düsseldorf
Rechtsanwalt l Fachanwalt für Strafrecht
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